Von Syrien nach Deutschland in unser Klassenzimmer

Kaum ein Thema beschäftigt Deutschland gerade so sehr wie die massenhafte Flucht von Syrern nach Europa. Vieles ist in der Presse zu lesen, zu hören und zu sehen, viel Widersprüchliches und auch Vieles, was Angst macht und Vorurteile schürt. Unsere Schülerinnen und Schüler wollten es genauer wissen, sich ein eigenes Bild machen und so hat die Katholische Schule Altona, mit Unterstützung des Kulturforums 21 Mondial, die Syrerin Hana A. eingeladen. Und diese hatte eine Menge zu erzählen.
Die erste große Pause ist kaum beendet, da drängen sich schon die ersten Schüler der 9. und 10. Klasse in den Musiksaal. Im Raum steht Hana, eine junge, lebensfrohe Frau aus Syrien, ein Laptop ist aufgebaut, der Beamer erhellt die Wand und die Jugendlichen suchen sich schnell einen guten Platz. Anspannung liegt in der Luft und Neugierde spiegelt sich in den Gesichtern. Wer ist sie und was hat sie uns zu berichten? Was hat sie erlebt, woher kommt sie genau? Warum ist sie hier?
Hana gibt einer Scheu vor der Annäherung keine Chance, sondern begrüßt die Schüler gleich auf Arabisch, sie stellt sich vor und fordert jemanden in arabischer Sprache dazu auf, seinen Kaugummi in den Mülleimer zu werfen. Trotz des Nichtverstehens ist es möglich sich zu verständigen, mit Händen und Füßen und dem guten Willen sich auf den anderen einzulassen. Das Eis ist gebrochen und die ersten Schritte zu Erfahrungen mit dem Fremden und der anderen Kultur sind getan. Ab sofort wird deutsch miteinander gesprochen. Hana beginnt ihren Vortrag mit einer Powerpoint-Präsentation, die sich mit Kindern auf der Flucht beschäftigt, aber schon recht bald wird es klar, dass die Fragen der Schüler, keinen Raum für starre Vortragsformen lassen, zu groß ist das Interesse an Hannas Leben, zu groß die Anteilnahme an dem was sie zu erzählen hat. Die Schüler reihen Frage an Frage.
Hana berichtet von der eigenen Flucht, sie schildert die Erlebnisse von Freunden und Verwandten. Ihr Bericht wirkt so plastisch und so berührend, als wäre man selbst Teil ihrer Geschichte. Sie lässt jeden im Raum die schrecklichen Ereignisse in Syrien miterleben, durchleiden und nachvollziehen. Obwohl sich Hanna zurückhält zu konkret zu werden, kann man erahnen, welche Grausamkeiten in diesem Land vor sich gingen und gehen. Und sie hat das alles am eigenen Leib durchlebt. Man merkt bei jedem ihrer Worte die Betroffenheit ihrer Zuhörer und dennoch möchte sie kein Mitleid, das sei für sie das Schlimmste.
Mitgefühl und gegenseitigen Respekt dagegen fordert Hana ein. Sie lebt seit zwei Jahren in Deutschland und hebt die große Hilfsbereitschaft ihrer neuen Heimat hervor. Sie ist dankbar für die Wärme, die ihr und ihren Landsleuten hier entgegengebracht wurde und sie weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. Auf Nachfrage nach den Übergriffen zur Silvesternacht, verurteilt sie diese stark und man merkt ihr an, dass sie sich dafür schämt, obwohl sie das nicht zu verantworten hat. Sie bekennt sich zu Deutschland und möchte gerne hier bleiben, sie macht gerade ein Praktikum bei einer katholischen Einrichtung und spricht nahezu fließend die deutsche Sprache, man kann das Gefühl bekommen, dass alle kulturellen Unterschiede überbrückbar sind.
Das gemeinsame Gespräch endet nach eineinhalb Stunden, die Zeit vergeht wie im Flug, es sind mit Sicherheit noch nicht alle Fragen beantwortet, aber man ist sich näher gekommen. Alle Anwesenden haben jetzt ein genaueres Bild, ein menschlicheres Bild davon, was Flucht und Krieg bedeuten. Noch in der Pause stehen die Schüler zusammen und diskutieren das eben Erlebte und auch das Lehrerzimmer – in dem Hana mittlerweile angekommen ist – wird zu einem Ort des Austausches von Erfahrungen und der kulturellen Verständigung.
Jan Baugut